Kerstin Surra

"Die Hohen Töne" von Kerstin Surra

Die hohen Töne aus "Junibrücken" und "Liebe nur ein Wort"


Sie liebte nicht ihn.
Sie liebte eine Idee. Ein Ideal, durch ihn perfekt verkörpert,
gleich einem Traum, den sie lange in ihrem Inneren
gepflegt hatte, ohne es zu wissen. Er, der besessene
Künstler. Hässlich in seinem Äußeren, wunderschön in
seiner Kunst. Strahlend und wild, die Augen, die Hände,
das Haar. Klein von Wuchs, groß in seiner Ausdruckskraft.
Von Narben verwüstet, das Gesicht und auch sein
Herz.
Auf die Leinwand geworfen war all dies zusammen so
neu, so schön, so hässlich, dass es die einen erschreckte,
die anderen entzückte, weil sie etwas auf eine Weise erblickten,
wie sie es noch nie zuvor getan hatten. Was er
jetzt noch benötigte, war Inspiration.
Er liebte nicht sie.
Er liebte die Muse, die sie ihm war, solange, sie sich ständig
neu erfand. Groß und von einer Eleganz, die er in seiner
niederen Herkunft nie gekannt hatte. Schön auf eine
ferne, entrückte Weise, schien sie blass und aus dem Feenreich
entsprungen. Biegsam und sportlich war ihr Körper
in den teuren Kleidern eine Augenweide. Doch ihr festes,
breites Kinn sagte mehr über sie aus, als der Rest der Erscheinung.
Von ihrem harten, disziplinierten Inneren, in
eiserner, ja militärischer, Strenge erzogen, sprachen auch
die großen Hände, die kalten Augen, die geraden Schultern.
Dem Müßiggang und mancher Ausschweifung gab
sie sich hin, wie, um ihren Eltern den Todesstoß zu geben,
anstatt sich standesgemäß an Herd und Haus zu binden.
Sie liebte nicht ihn, er liebte nicht sie. Waren einander
begegnet, in dem Augenblick, indem sie sich zum ersten
Mal gesehen hatten. Nein, ich meine, wirklich begegnet.
Ihrem innersten Kern. Es war, als hätten sie den anderen
sofort erkannt, seine Stärken, besonders aber die

Schwächen, die beide so zahlreich besaßen, dass es für
jeden halbwegs normalen Charakter schwer war, nein,
unerträglich, es mit einem von beiden auszuhalten. Gemeinsam
waren sie eine rechte Plage. Es war wohl die
ausgeprägteste ihrer Schwächen, die zugleich ihre Stärke
war, die sie zueinander zog. Sie liebten sich beide auf eine
ungebührliche Weise selber, dass kaum Platz für einen
anderen Menschen in ihrem Universum war, als für das
eigene Ich.
Nicht, dass sie nicht trotz all dem zahlreiche Freunde
besessen hätten. Die gleich ihnen von besonderer Art,
ja ebenso fehlerhaft und amüsant waren. Das zeichnete
sie neben allem anderen aus. Sie verbreiteten eine Kurzweiligkeit,
eine Abenteuerlust, die jeden mit sich reißen
musste, der auch nur ein Quäntchen Lebensmut, ja Übermut,
im Herzen trug. Und das in einer Lässigkeit, die die
anderen verzweifelt zu erreichen suchten.
Nie war es langweilig an ihrem „Hofe“, den sie in Salons
und Schlafzimmern hielten. Auf Sofas und dem Boden,
auf großen Kissen oder unter dem freien Himmel. Nie gewöhnlich.
Alltägliches hatte strengstes Hausverbot.
Ein altes Lied wurde gespielt. Auf einem rostigen Klavier.
Jeder interpretierte es auf seine Weise. Die einen konnten
spielen, taten es mit Verve oder feiner Ironie. Die anderen
beherrschten dieses Instrument nicht, konnten aber dieses
einfache Lied ganz leidlich spielen.
Auf höchstem Niveau spielte aber sie. Sie liebkoste die
Tasten und ließ vergessen, dass dieses Klavier seine beste
Zeit längst hinter sich hatte. Es war, als küsste sie die
Noten aus ihm heraus, spielte nur auf den höchsten Oktaven.
Ganz entrückt war sie dann an anderen Orten, anderen
Zeiten und nahm uns andere mit sich fort auf eine
Reise in die Möglichkeit.
Ja, in diesem ungewöhnlichen Zirkel aus Künstlern und
Kunstliebhabern, Musen und denen, die sie anhimmelten,
vergötterten, herrschte das Regiment des Besonderen.
Mit einer gewissen Würde, gab man sich allerlei Derbheiten,
Freizügigkeiten hin, die in diesen späten Tagen eines

goldenen Jahrzehnts nicht ungewöhnlich waren. Man
ließ sich bewundern, Bescheidenheit war keine Zier. Man
bewunderte, Augenmaß war nicht gefragt.
Hob sich ab, in Kleidung, bunt und weit, exotischen Orten
entlehnt, zu denen man sich hin träumte, die man
aber nicht wirklich verstand, weil sie nur Schauplatz waren,
Kulissen, niemals real. Länder, in denen Menschen
ganz pittoresk verhungerten, romantisch in dreckigen
Straßen lebten, märchenhaft anzusehen, lächelnde Gesichter,
traurige Herzen.
War anders im Gebaren, als es der Konvention entsprach.
Großspurig, selbstbewusst, hochfahrend und provozierend.
In Wort und Rede. All dies zusammen, ein bunter
Haufen, mit unterschiedlichsten Biographien, zusammen
geschweißt in großen Träumen von einer Zukunft, ohne
Zwänge und ohne Regeln. Nur den eigenen Gesetzen
wollten sie folgen, gleich in allem, nur der Natur unterworfen
und der Natürlichkeit, von der sie dachten, sie
würden sie besitzen. Ja, untertan allein den Zwängen des
künstlerischen Schaffens und seinen Anforderungen.
In diesem Kreis also, in dem in weinseliger Runde gepafft
und geraucht, diskutiert und geküsst wurde, wo man international
und idealistisch war, oder glaubte, es zu sein,
lernten sie sich kennen und begegneten sich gleich beim
ersten Mal. Ich stellte die beiden vor. Ganz konventionell.
Ich schmunzelte in meinen Bart. Was danach kam, war
keinen Gesetzen von Anstand und Recht mehr unterworfen.
Es dauerte nicht lange, da war ihre Beziehung in aller
Munde. Führten sie doch eine in jeder Beziehung öffentliche
Beziehung und offen obendrein.
So stritten sie und tobten sie, so schworen sie sich ewige
Liebe und Treue, nur um sich im nächsten Moment zu
verraten. So schlugen sie sich gar manches Mal so heftig,
dass sie ihren lockigen Kurzhaarschnitt und er seinen
Hut ein paar Tage lang recht tief über Augen, Stirn und
Nase trugen.
Dies alles taten sie am liebsten vor dankbaren Zeugen.

Das gehörte sich ja auch so für eine moderne, leidenschaftliche
Beziehung.
Da verließ sie ihn und er flehte sie an. Da kam sie zurück,
nur um ihn zu betrügen, leider niemals mit mir. Da warf
er sie theatralisch mit samt ihren Koffern vor die Tür,
flehte um ihre Rückkehr und so fort und immer weiter.
Sie verletzten sich, wo sie nur konnten, liebten sich so
heftig, wie nur zwei völlig Verrückte es vermochten. Sie
machten uns krank, sie amüsierten uns. Wir litten mit ihnen
und waren es überdrüssig.
Dabei schuf er Werke, von wirklicher Größe, die uns anderen
vor Neid erblassen und mich eben solchen Kummer
herbei flehen ließen, wie meinen Freund befallen hatte.
Nicht, dass er viel verkauft hätte. Die Zeit war noch nicht
reif. Sie war es nie für Großes, Neues. Und wenn sie es
endlich war, so war der Künstler in wunderbarer Größe
verhungert.
Ja, so kam zu allem Kummer auch noch der Hunger. Doch
der war zu profan, als dass er Thema gewesen wäre. Vielleicht,
wenn es der Hunger der Welt nach Revolution
und Erleuchtung, Gleichheit und Freiheit gewesen wäre.
Darüber zu reden, wäre es wohl wert gewesen, Zeit und
Luft zu verschwenden. Der Hunger zweier Freunde war
es nicht.
Sie besaßen nichts, und hatten nur sich. Und sie lebten
eben, wie das so üblich war, von Freunden und Bekannten.
Von Bewunderern und Neidern. Er verschenkte hier
ein Bild für ein opulentes Mahl, malte dort eine illusorische
Elfenlandschaft in ein Boudoir, welch Abgrund.
Aber auch Demütigung ist für eines Künstlers Seele reinstes
Manna. Denn sie befeuerte noch glühender die Wut
in seinem Inneren, die ihn erst das schaffen ließ, was er
schuf.
Und die Freundin, die Teure? Nie hätte ihr Stolz es zugelassen,
dass der Hunger und die Pein sie zurück in ihres
Vaters Haus getrieben hätten. Seine Uniform, behängt
mit Orden aus ehrwürdigen und verlorenen Schlachten,

die nicht nur Kleidung, nein auch Rüstung war, vor den
Blicken der Töchter, der Frau Gemahlin, vor seinen eigenen
Schwächen, sie hob drohend die leeren Arme in seiner
Tochter Träume.
Sein Herz war ihr wie aus Stein erschienen und kein Platz
für Verzeihung, gar Vergebung war darinnen gewesen.
Nein. Sie wollte die harte Freiheit schmecken, mit all ihren
Schrecken und Schönheiten. Verfluchte ihren Vater,
der sie nichts hatte lernen lassen, was sie in dieser selbst
gewählten Freiheit vorwärts bringen konnte. Muse sein,
reichte ihrem hellen Geist auf Dauer nicht. Ihre Intelligenz,
nur gefordert von gelehrtem, aber nutzlosem Wissen,
sehnte mehr. So wollte sie schreiben, malen, hatte
Ambitionen, keine Begabung. Oder keine solche, die man
gefördert hätte. Unzufrieden mit sich und der Situation
ließ sie ihre Gefühle an dem Mann aus, den sie verehrte
und verabscheute, ihrem Geliebten, der sie alleine ließ,
weil seine Leidenschaft in Farbe und Wein ertrank.
Es ging bergab mit dieser Beziehung. Wir gaben ihr keine
Chance mehr. Doch hatten wir es je getan? Ich tat, was ich
konnte, doch war es wohl nicht genug. Sie zerfleischten
sich und mich, der all ihre Eskapaden tapfer ertrug und
mich wie ein Schild zwischen sie stellte und gar den ein
oder anderen Streich abbekam, der für andere Wangen
gedacht.
Ich ertrug es tapfer, denn seltsam teuer war mir ihre
Freundschaft.
Dann kam der Krieg. Wir hatten es nicht kommen sehen.
So in Träume für eine bessere Welt verstrickt, dass wir
nicht erkannten, dass längst die Lunten brannten, um
einen Weltenbrand zu entfachen. Waren wir nicht auch
die Fackeln, die sie zündeten, in unserer Abgewandtheit
von der Wirklichkeit? Konnten unsere eigene Kunst nicht
lesen, die längst den Weg erraten hatte, den die Mächtigen
beschritten hatten. Konnten oder wollten nicht sehen,
was lange beschlossen war. Den Untergang einer ganzen
Generation. Was wir nicht ahnten war, dass die Welt eine

andere sein würde, wenn all dies vorüber war. Dass die
Bilder meines Freundes in ihrer Düsternis noch übertroffen
werden würden.
Seltsam, wie sich die Dinge wandelten. Der Krieg riss die
Freunde auseinander. Die Gönner flohen ins Ausland, die
Mädchen aufs Land. Die einen zogen in den Krieg, die
anderen die Fahnenflucht vor. Flüchteten in die großen
Städte fremder Länder, die noch nicht von Krieg überzogen
waren. Kosteten und schwelgten dort in den Farben
einer anderen Künstlergeneration, ließen sich inspirieren
und wussten noch nicht, dass sie etwas völlig neues aus
all dem Schaffen würden. Ich war unter ihnen, fern von
Donner und Grollen der Geschütze, dem Bellen der Gewehre,
dem Sterben und Leiden. Als lebten wir auf einem
anderen Stern, wurde die eine Hälfte von uns erleuchtet,
die andere getötet.
Und meine beiden besten Freunde? Ich ließ sie ja zurück
in all dem Schrecken. Nicht, dass ich nicht alles versucht
hätte, sie zu überreden. Ihre Passage wollte ich zahlen,
meine Unterkunft mit ihnen teilen. Die Verbannung, das
Asyl mit ihnen gemeinsam ertragen.
Doch halsstarrig, wie nur er sein konnte, bestand er darauf,
sein Schaffen im tiefsten Unglück zu ertragen. Dort
zu sein, wo die Inspiration auch Widerstand sein konnte.
Und oh Wunder, sie blieb bei ihm. Zögerte keine Sekunde,
sein Schicksal, wie es auch kommen möge, durch zwei
zu teilen. Ich kannte sie nicht mehr.
Ich wusste nicht, ob die Dummheit dieser Entscheidung
beeindruckender war oder die Größe, die sie zeigte. Hatten
alles längst verloren. Das Dach über dem Kopf, es
brannte lichterloh. Damit meine ich nicht nur das Dach
aus Schindeln. Auch politisch waren die beiden verloren.
Die Situation entzündete ihre Widerspenstigkeit, wollten
sich nicht vereinnahmen lassen. Nicht töten für eine Sache,
die die ihre nicht sein konnte und die sie auch gar
nicht verstanden. Wer hätte sie verstehen können? Mit
Stolz betrachtete ich ihre Entscheidung und wäre meine

eigene Angst nicht so verdammt groß gewesen, und hätte
ich nicht zu mir geflüstert, dass ich ja nicht mich zu retten
gedachte, sondern meine Kunst, zum Wohle aller Menschen,
ich wäre wohl bei ihnen geblieben. Wie wäre es
dann gekommen? Müßig.
Doch wie konnte man überhaupt überleben, in einer Zeit,
in der Bilder und Bücher brannten, wie fliegende Sterne
im ewigen Kreise der Zeitalter immer wieder einmal
brannten, gleich Glühwürmchen in rauer Winternacht.
Der Körper vermochte es wohl. Aber der Geist, er musste
schmelzen in diesem Hochofen aus Feuer und abermals
Feuer.
Ein Koffer für all ihr Hab und Gut. Ein paar warme Sachen,
ein paar Pinsel, eingerollte Leinwand, Dinge, die
einmal wichtig waren, Bücher, Ideen eben! Eingepackt in
Packpapier, wie Butterbrote, die aufgewärmt, nach langer
Wanderung, am besten schmecken.
Durchwanderten die Trümmer einer Zukunft, sorgten
sich ums Tägliche. Um Brot und Wärme, nicht um Prinzipien
und Thesen oder Ideale. Verborgen vor den Schergen
einer Obrigkeit, die mit Ihresgleichen, Unsresgleichen
fertig zu werden gedachte. Ein für alle mal.
Lebten so versteckt, dass sie sich selber nicht mehr fanden.
Das „Ich“ verlosch für einen Augenblick und ließ
den Blick auf andere zu.
Da war es, dass sie sich ein zweites Mal begegneten. Sie
kehrte zurück, vom Wasserholen aus einem eisigen Loch,
geschlagen in einem zugefrorenen See. Ein See, wie ihr
Herz, gefroren, doch nicht bis zum Grund.
Ein Kopftuch band die widerspenstigen Locken, die
Wangen rot vor Anstrengung, die Lippen ganz zerbissen.
Abgeschnittene Handschuhe ließen die kalten Finger frieren,
statt sie zu schützen. Ein Schal, kratzig und verfilzt,
umschlang den abgetragenen Mantel wie eine Stola.
Er hatte Holz gehackt, sich natürlich wieder geschnitten.
Die zarten Künstlerhände geschunden, doch irgendwie
stolz. Denn dort lagen, fein säuberlich aufgereiht, fünf

Spalten Holz, Wärme für eine Nacht, zerhackt, gedemütigt
von einem Stümper, aber bereit, für diesen zu brennen.
Holz, so hart, wie einst sein Herz. Im inneren Kern
doch weich und rosig. Das struppige Haar stand ihm wirr
um das hagere Gesicht. Gab ihm eine Tiefe, zwischen
Furchen und Falten, die es nie besessen.
Der Mantel, wie um den ihrem zu gleichen, umschlotterte
die dünne Gestalt, wie ein Hauptsegel um Kap Horn den
Mast umschlingt.
Nutzlos gegen die klirrende Kälte, den Sturm, der tobte,
aber ohne ihn, der sichere Tod.
Wie sie einander so sahen, da schmolzen ihnen die stolzen
Herzen zu einem Lächeln zusammen. Als sie sich
dieses Mal küssten, schmeckten sie einander wie kaltes
Silber, getaucht in süßen Honig.
Er holte eine Leinwand aus seinem Koffer, entrollte sie
und auch sein Können, malte ein Bild von der Liebe.
Sie malten es gemeinsam, denn wo ihm die Farben fehlten,
da strich sie mit den Fingern nach und wo sie einen
Schatten vergessen hatte, da füllte sein Pinsel die Lücke.
Ein Bild entstand. Das Bild ihrer seltsamen Liebe.
Sie verbrannte es in derselben Nacht. In dem Holze, welches
er mit seinen eigenen Händen geschlagen hatte.
Dann ertränkten sie das Feuer in dem Wasser, welches
sie mit ihren eigenen Händen geschöpft hatte.
Zu süß war dieses Bild geraten, zu schön und ernsthaft,
als dass es hätte überleben dürfen in einer Welt aus Stein.
Ja, wäre sie aus Glas gewesen, fein geschliffen, vielleicht...!
Doch so verrauchte es im Schornstein und wenn sie sich
auch noch lange daran wärmten, so war es doch bald aus
der Welt verschwunden. Nur ein leichter Rauch wehte
noch über das Land, vermischte sich mit dem Rauch all
der schönen Dinge, die verbrannten. Da war die Liebe nur
eines von vielen und wurde die Asche, aus der vielleicht
einmal neue Hoffnungen wachsen würden oder traurige
Erinnerungen. Dinge, von denen wir damals noch nicht
ahnen konnten, dass sie einst wahr werden würden.
Was aus den beiden, meinen Freunden wurde, ich weiß es

nicht. Niemand scheint es zu wissen. Aber für eine Nacht
hatten sie sich erkannt, hatten die Liebe geschmeckt. Sie
schrieben es in einem Brief, noch in der gleichen Nacht.
Er fand viele Jahre später seinen Weg zu mir.
Sie sprachen darin von Liebe und schlossen mich mit ein.
Ob sie gehalten hat, verloschen ist?
Sie sind verschollen. Der Krieg hat sie verschluckt. Dafür
ist er ja auch da. Auszulöschen das Schöne und Gute, das
Seltsame, Andere, Außergewöhnliche.
Seiner Aufgabe, Schmerz und Leid zu verbreiten, war
er auch diesmal wieder mit großer Gewissenhaftigkeit
nachgekommen. Nachlässigkeit ist seine Sache nicht.
Ich bin nicht ohne Hoffnung. Aber ich war schon immer
ein Träumer. Man hört mal dort von ihnen, mal hier. Gerüchte
nur, nie Gewissheiten, ja Frieden. Mal sind es traurige
Nachrichten, mal andere.
Ich war ein Freund und werde es bleiben. Wo sie auch
sind, und was ihre Liebe auch so treiben mag, eins weiß
ich doch gewiss.
Meine Liebe zu ihnen Beiden ist unverrückbar, stets und
groß. Grad weil sie waren, wie sie waren, - sind?
Denn auch wenn sie vielleicht nicht die Gabe besaßen, unverbrüchliche
Liebe zu verschenken, so ist doch die Gabe
so geliebt zu werden, beinah eben so hoch anzusehen.
Geliebt von mir. Warum?
Wer könnte es erklären? Ich kann und will es nicht, es
würde meine Liebe nur verklären. Doch das eine war sie
niemals, blind. Ernsthaft war sie stets, ehrlich und offenen
Auges. Eben Liebe.
Ganz besonders spüre ich sie jedoch, wenn ich auf einem
verrosteten Klavier eine alte Melodie spiele. Ein Lied, alt
schon, als wir noch jung gewesen sind. Schon den Ruch
des Todes in sich trug, als wir noch voller Hoffnung waren.
Ein Liebeslied, gespielt nur auf den hohen Tönen, den feinen,
schon gebrochenen.
Manchmal fürchte ich, sie fallen an der Seite hinunter
und vergessen ganz, dass dies ja längst geschehen ist.

Beschreibung

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